Eine neue Kultur der Sexualität: Über Dating und unverbindlichen Sex mit Ü50 und als Brustkrebs-Survivor
Text: Uschi-Haus- und Hof-Astrologin Ilona Clemens
Am Anfang ein mächtiger Wunsch: Einmal wieder Sexualität leben. Sexualität ist mir immer wichtig gewesen. Ausdruck einer tiefen Lebenskraft und Lebenslust. Körper, Nacktheit, Lust, Intimität. Schon als Mädchen war ich sehr, sehr neugierig auf Sexualität. Mit zwölf habe ich mal in einem Zelt mit verschiedenen Jungs geknutscht. Das war aufregend. Gleichzeitig erinnere ich mich an unsere Unschuld. Aber diese Unschuld haben wohl nur wir und möglicherweise sogar nur ich empfunden. „Pass auf, dass du nicht zur Dorfmatratze wirst“, sagte eine Freundin. „Mama, was ist eine Dorfmatratze?“ Schweigen. Meine Neugier auf Sexualität und Erotik ist geblieben. „Meinem Leben soll es an schöner und erfüllender Sexualität nicht mangeln.“ Das war und ist mein Motto.
2019 ist der Brustkrebs gekommen und hat gefragt: „Na, wie sieht es jetzt aus mit deiner Weiblichkeit und deiner Lust?“ Da war ich fünfzig Jahre alt, und fühlte mich weiblicher und sexuell reifer als jemals zuvor. Mein Partner aber, der wollte nicht weitergehen mit mir in neue sexuelle Dimensionen. Und ich dachte, naja, dass eben eine Beziehung Kompromisse verlangt und irgendwie sind wir beide doch auch weit gekommen miteinander. Den Hunger habe ich ignoriert. Zur Seite geschoben wie ein Möbelstück, das im Weg steht.
Als ich den Krebs überlebt hatte und um eine Chemotherapie, eine Bestrahlung und eine fette Narbe an der linken Brust reicher geworden war, habe ich die Beziehung verlassen. Denn meine Lust war gewachsen. Die Lust auf neue sexuelle Dimensionen wie auch die Lust auf neue Dimensionen im Leben. Von jetzt auf gleich allein. Plus Corona. Kaum Berührung. Alle und alles auf Abstand. Neustart unter erschwerten Bedingungen.
Dating und unverbindlicher Sex mit Ü50 und als Brustkrebs-Survivor?
Ein junger, schwuler Freund brachte mich auf die Idee, doch einfach mal Dating-Apps auszuprobieren. Das hat mich angefixt. Gleichzeitig hatte ich den ganzen Kopf voll von Vorstellungen über Dating-Apps. Und wusste nicht, wie ich das, was ich suche, in Worte fassen soll.
Sex, klar. Aber wie suche ich nach „Sex mit Liebe ohne Beziehung?“
Bis Oktober 2021 hat es gedauert. Dann habe ich mein erstes Profil auf einer Dating-App angelegt.
„Du musst jetzt einfach springen“, habe ich mir gesagt und einmal mehr gemerkt, wie komfortabel es ist, wenn einem nichts passieren kann, weil man bleibt wo man ist. Aber ich war jetzt bereit, dass mir etwas passiert. „Ich möchte berührt werden und berühren“, habe ich in mein Profil geschrieben. Auch meine 52 Jahre habe ich nicht verschwiegen. Die App fragte nach der Altersspanne der potentiellen Dating-Partner. Ich gab 30 – 65 ein. Ich kam mir sehr frech dabei vor, denn dreißig ist doch wohl ziemlich jung, wenn man die fünfzig überschritten hat.
Die App wollte wissen, ob Sex auch bereits beim ersten Date für mich infrage käme. Kurz schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich vielleicht brav „auf gar keinen Fall“ eingeben sollte. Schließlich will ich nicht als eine dastehen, die leicht zu haben ist. Dann habe ich einfach „Ja“ angekreuzt. Es geht mir doch um Sex. Kein langes Chatten, kein so-tun-als-wisse-man-es-noch-nicht, wenn man eben doch einfach nur Lust hat. Warum verstellen wegen irgendwelcher vermeintlichen Konventionen?
Nach ein paar Tagen war da ein Tom. Er war 32. Mir hat sein Lächeln gefallen. „Das ist ein sympathischer Typ“, befand ich und lud ihn auf einen Spaziergang ein. Er sagte einfach „Ja“ und dass er sich freue. Sex beim ersten Date kam für ihn infrage. Das war mir wichtig. Und dann bin ich gesprungen. Als ich Tom sah, diesen jungen Typen, war alles, was ich dachte und fühlte ein einziges „Ja. Ich will.“ Verdammt, er sah gut aus und sein Lächeln war warm und echt. Allein mit ihm durch den Park zu spazieren war ein Vergnügen. Es kribbelte, und die Luft schmeckte nach Aufbruch. Am Ende des Spaziergangs habe ich ihn gefragt, ob er mitkommen wolle zu mir. Hopp oder Top. „Ja, gerne.“
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Diese ersten Berührungen nach so langer Zeit waren fast schmerzhaft schön. Tom und ich erkundeten einander mit einer Hingabe und einer Zärtlichkeit, die ich mit einem Unbekannten kaum für möglich gehalten habe. Nichts war verklemmt. Alles war einfach. Alles war voller Lust und frei von Scham. Als Tom über die Narbe meiner linken Brust strich, erzählte ich ihm vom Brustkrebs. Und ließ den Krebs damit einmal mehr los. „Ist es denn okay, wenn ich die Narbe berühre?“ Da musste ich fast weinen, weil diese ganze Erfahrung sich so heilsam anfühlte. Wir lagen eng nebeneinander und erzählten uns irgendetwas. Es war schön, ihm zuzuhören und ihn dabei anzusehen.
Dass solch ein junger, gutaussehende Mann bei mir lag und Sex mit mir wollte, tat nicht zuletzt auch meinem Ego einfach nur gut.
Dieses erste Date war der Startschuss für viele weitere. Ich habe innerhalb weniger Wochen einige Männer getroffen und hatte mit fast allen Sex beim ersten Treffen. Nicht ein einziges Mal habe ich das bereut. Im Gegenteil. Jeder einzelne Mann hat mich etwas gelehrt, was ich vorher nicht wusste oder mich an etwas erinnert, was ich vergessen hatte. Auch Online-Sex, „Sexting“, habe ich ausprobiert. Texten, Fotos schicken, sich am Telefon heiß machen. Auch etwas, was ich für mich nie in Betracht gezogen und dann total genossen habe.
Sexualität ist etwas sehr Kostbares. Zumindest ich sehe das so und habe das immer so gesehen. Bei der Sexualität, die ich lebe, berühren sich nie nur die Körper, sondern immer auch die Seelen. Diese Art von Intimität habe ich gesucht und gefunden.
Ich wünsche mir eine neue Kultur von Beziehungen und Sexualität
Alles easy also? Nicht nur. Tom zum Beispiel hätte ich gerne mehr als dreimal getroffen. Aber dazu ist es nicht gekommen, und das zu akzeptieren, war ein Prozess. Oder Khaled. Der hat die Tür aufgemacht zu einigen bis dahin sehr geheim gehaltenen Fantasien. Das war ein Dammbruch. Ich weinte, weinte und weinte. Zwei ganze Tage lang. Und hielt den Schmerz kaum aus, von dem ich nicht einmal begriff, was genau so schmerzhaft war. Etwas war aufgebrochen. Nur was? Ich war emotional völlig neben der Spur. Aber dann habe ich mich erinnert, wer ich bin. Keine unsichere Fünfzehnjährige mehr, sondern eine reife Frau mit viel Erfahrung und viel Selbsterkenntnis. Der Schmerz und die Schönheit, auf die ich mit ihm gestoßen bin, gehören zu mir und haben mit ihm sehr wenig zu tun. Mit mir als Fünfzehnjähriger hingegen sehr viel. Das zu erkennen, hat viel Heilung für diese innere Fünfzehnjährige gebracht, die solche Lust auf Sex hatte und sich so dafür schämte.
Manchmal denke ich, über nichts wird so viel geredet wie über Sex. Was nicht heißt, dass wir besonders ehrlich damit sind. Eine ganze Industrie, die Porno-Industrie nämlich, lebt von mächtigen inszenierten Bildern über Sexualität, mit denen bestimmt nicht nur ich meine Schwierigkeiten habe.
„Dass sich so viele junge Männer mit einer Frau über fünfzig treffen wollen, hätte ich niemals gedacht“, sage ich zu einem Freund, als ich mal wieder ganz high bin von der großen Auswahl an attraktiven Männern. „Na logisch“, antwortet der, „denk doch mal an die Pornos mit den MILF`s.“
Über diese Abkürzung habe ich immer mal gegrübelt, aber nie genug Energie aufgebracht, das Rätsel zu lösen. „Es steht für MOTHER I´D LIKE TO FUCK“, erklärte er mir. Ich finde nicht, dass das eine angemessene Bezeichnung ist für das, was ich erlebe. Ich bin ja nicht mal Mutter. Allein deswegen passt es nicht. Darüber hinaus will ich nicht, dass die Schönheit und Echtheit meiner Begegnungen auf für meine Begriffe meistens sehr schlecht gemachte Pornografie reduziert werden. Die darüber hinaus am laufenden Meter Stereotype über Männer, Frauen und Heterosexualität reproduzieren. Ob wir sie nun anschauen oder auch verabscheuen: Sie sitzen in unseren Köpfen fest.
Ich wünsche mir eine ganz neue Kultur von „in Beziehung gehen“ und Sexualität. Dafür tue ich einiges. Ich habe nicht erwartet, dabei auf die Männer zu stoßen, die ebenfalls sehr offen sind für neue Wege. Dabei ist das eigentlich logisch, wenn man das Gesetz der Anziehung kennt.
Ich habe das alte Jahr mit Sex abgeschlossen, und das Neue mit Sex begonnen. Eines ist mir dabei ganz klar geworden: Es ist nie „nur Sex“. Oder wenn es „nur Sex“ ist, dann ist darin die ganze Welt. Mein Mut und meine Entschlossenheit, Sexualität für mich lebbar zu machen, haben sich in einem Maße ausgezahlt, das ich nur mit „jenseits meiner kühnsten Träume“ bezeichnen kann. Gottseidank habe ich nichts auf die alten Gespenster-Gedanken gegeben. Ich habe nicht den Fehler gemacht, mir ach so gute Gründe auszudenken, warum es nicht geht. Von: „Wo sollen die denn sein, die jüngeren Männer, die auf dich stehen?“ über „Das sind doch maximal One-Night-Stands, die du da kriegst, und die willst du nicht.“ bis hin zu „Du kennst dich doch. Wenn der Sex gut ist, verliebst du dich und schon bist du wieder in einer Beziehung, obwohl du gerade so ein glücklicher Single bist.“ Diese Gespenster-Gedanken tun so, als seien sie realistisch. Sie hätten mich abhalten können, meinen Bedürfnissen zu folgen. Haben sie aber nicht.
Jetzt freue ich mich auf weitere Dating-Abenteuer. Denn jedes davon ist eine Neuentdeckung meiner selbst. Ich weiß jetzt: Es kann halt was passieren, wenn man zulässt, dass was passiert.
Über die Autorin:
Ilona arbeitet als Astrologin und Autorin. Schwerpunkt ihrer astrologischen Arbeit ist die Begleitung durch Transformations- und Veränderungsprozesse. Sie ist Haus- und Hofastrologin der Geilen Uschis und erstellt als solche einmal monatlich das Uschiskop, das Horoskop für alle geilen Uschis.
Ilona lebt in Berlin. Ihre Brustkrebserkrankung hat sie 2020 überwunden. Von dem damit verbundenen Transformationsprozess handelt ihr 2021 erschienenes Buch “Kraniche im Grenzland”.
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Ilona Clemens Astrologie
Tel: 0176 45801548 II Email: contact@ilonaclemens.de II Web: www.ilonaclemens.de
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“Hi. Ich bin Ilona, Astrologin mit Herz und Seele. Am liebsten arbeite ich mit und für Uschis wie Euch; Frauen, die viel vorhaben, viel draufhaben und sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Einmal im Monat werfe ich für euch einen Blick in die Sterne und versorge euch mit universellen Inspirationen.”