"Ich habe nicht auf Ermutigung gewartet" – Olga Holtz
Redaktion: Marie-Christin Spitznagel
Meine Damen und Herren, heute gibt es eine besonders krasse Uschi für euch! Der aktuelle Platz der Uschi-Parade ist gewidmet der famosen Prof. Dr. Olga Holtz! Wer sie noch nicht kennt, sollte das dringend ändern. Sie ist eine Mathematik-Ikone, gefeierte Informatikerin und der Beweis, dass das Klischeebild des (weiblichen) Nerds ganz dringend in die Mottenkiste gehört! An dieser Stelle nicht weiter zu benennende amerikanische Sitcom über „Nerds“ – ich schaue in deine Richtung.
Ein Mathegenie geht um die Welt
Aber beginnen wir am Anfang! Olga Holtz wird 1973 in Russland geboren, in der grauen Industriestadt Tscheljabinsk im Ural. Eine Millionenstadt, die im Zweiten Weltkrieg viel Rüstungsindustrie beherbergte, aber in Deutschland erst bekannt wurde, nachdem 2013 ein 20 Meter großer Felsbrocken aus dem All in die Erdatmosphäre eintrat und spektakulär über der russischen Großstadt zerbrach.
Olgas Eltern waren damals beide Wissenschaftler und arbeiteten in der Computertechnik, so kam Olga schon als Kind mit Lochkarten, Programmiersprachen und Mathematik in Kontakt. Es wundert also nicht, dass sie schon früh eine Begabung für Mathematik zeigte und sich dann gür ein Gymnasium mit mathematischem Schwerpunkt entscheidet.
Denn das war tatsächlich nicht ihre einzige Option. Olga Holtz hat zahlreiche Talente. Ihre Musiklehrer ermutigen sie, eine Karriere als Pianistin oder Komponistin einzuschlagen, ihre Literaturlehrerin wollte sie zum kreativen Schreiben bewegen. Aber Olga bleibt bei der Mathematik.
„Du musst es mit dem Herzen fühlen“, sagt Olga Holtz in einem Interview mit der “Zeit”, „du musst spüren: Das ist mein Ding! Und das war für mich die Mathematik.“
„Letztlich wird Erfolg oder Misserfolg nicht davon bestimmt, ob man klug ist“, sagt sie im selben Interview. „Der Unterschied liegt darin, ob man Möglichkeiten, die sich bieten, erkennt oder nicht.“
Nach ihrem Mathematik-Diplom 1995 an der staatlichen Universität Süd-Ural in Tscheljabinsk bewirbt sie sich 1996 an drei amerikanischen Universitäten für ein Promotionsstudium und bekommt, obwohl es ihr anfangs kaum jemand zutraut, zwei Zusagen. Sie entscheidet sich für die University of Wisconsin in Madison und schreibt dort ihre Promotion. Die dann auch Volker Mehrmann von der Technischen Universität in Berlin in die Finger bekommt. Im Zeit-Interview sagt er:
"Ich hatte in meiner eigenen Promotion an einem alten Problem aus den 50er Jahren gearbeitet und es nicht rausbekommen", erzählt Mehrmann, "Frau Holtz hat es dann mal kurz von der Platte geputzt. Das ist schon erste Sahne."“
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Er hat sich wirklich Mühe gegeben, Olga Holtz nach Berlin zu holen und bietet ihr ein Humboldt-Stipendium an. Und sie kann sich jetzt die nächsten Stationen frei aussuchen.
Von Berlin führt sie ihre weitere Karriere sie nach Berkeley bei San Francisco, wo sie 2007 ihre erste Professur bekommt – um dann schnell wieder nach Berlin zu verschwinden. Dort wartete nämlich wieder ein attraktives Angebot auf sie: der Sofja-Kovalevskaja-Preis der Humboldt-Stiftung. Damit werden alle zwei Jahre bis zu acht Nachwuchswissenschaftler nach Deutschland zum Forschen eingeladen. Ihnen wird eine Million Euro an Forschungsmitteln zur Verfügung verteilt über vier Jahre. Diese Mittel können fast völlig frei ausgegeben werden, etwa für Mitarbeiter, Forschungsreisen oder Gastprofessuren. Ein wirklich attraktives Angebot, das nur an eine Bedingung geknüpft ist - man muss ein Forschungsprojekt an einer deutschen Universität haben und auch wirklich dorthin kommen.
Olga Holtz nannte ihr Projekt "Direkte und inverse Probleme in Algebra und Analysis" und gewann damit. In ihrem Kovalevskaja-Projekt geht es um Matrizen (Zahlenquadrate) mit denen man Gleichungssysteme mit teilweise Millionen von Unbekannten löst. Ein sehr theoretisches Gebiet, das andererseits aber auch viele praktische Anwendungen hat: Jede Wettersimulation und jeder Crashtest im Computer führt letztlich zu solchen Gleichungssystemen, die möglichst effektiv gelöst werden müssen.
Olga ist wirklich eine inspirierende Frau und eine hammergeile Uschi. Denn auch wenn sie ein Ausnahmegenie ist, hatte sie es nicht immer einfach, als Frau in einem männerdominierten Feld. Dazu sagt sie: “Ich habe nie auf Ermutigung gewartet.” Vielleicht ist das das Stück Olga-Chuzpe, dass wir uns bei all unseren Empowerment-Bemühungen abschneiden dürfen. Warten wir nicht. Machen wir einfach.
Offensichtlich ist sie längst als Mathematikerin etabliert, hält Vorträge wie „How Mathematical Methods allow for new solutions to everyday problems“, über die alltägliche Anwendbarkeit der Mathematik, erhält Jobangebote von Riesen wie Google und löst komplexe mathematische Probleme quasi „nebenher“, aber trotzdem muss sie sich immer wieder mit typischen Vorurteilen auseinandersetzen. Ein „nicht-triviales Problem“ nennt sie das. Sie hat immer noch das Gefühl, dass männliche Kollegen sie als Girlie sehen. Und erstaunt reagieren, wenn eine junge Frau einen respektablen Vortrag hält. Gleichzeitig geht sie aber in ihrer Erscheinung keine Kompromisse ein und präsentiert sich betont weiblich in Overknees und Stiefeln. Warum sollte sie das auch nicht? Weiblichkeit und Kompetenz (auch in Mathematik) schließen sich nicht aus. Und bei “geilen Uschis” sowieso nicht.
Und jetzt auch noch Filme?
Im Gegensatz zum gängigen Klischee, verkroch Olga sich nie hinter ihrem Schreibtisch, als sie die Professur und die Lehrstelle an der TU in der Tasche hatte. Lieber lernte sie noch etwas Neues und folgt ihren künstlerischen Interessen. Von 2012 bis 2013 ließ sie sich im „Berkley digital Film Institute“ als Drehbuchautorin, Produzentin und Regisseurin ausbilden. Von 2014 bis 2015 besuchte sie die Master Classes „Directing“ von Peter Webber und „Screenwirting“. Bereits in 2014 veröffentlichte Olga Holtz ihren Film „The Zahir” weil sie natürlich nicht nur eine hervorragende Mathematikerin, Pianistin und Sängerin ist, sondern auch schreibt und Filme machen kann.
Über ihr Projekt schrieb sie: „The Zahir“ ist mein erster Film. Zu Hause in Tscheljabinsk habe ich schon als kleines Mädchen vom Filmemachen geträumt, die Mathe-Begeisterung kam erst später. Dann ergab sich in Berkeley plötzlich die Gelegenheit, nebenher eine Regie-Ausbildung zu machen. Das Skript hatte ich schon geschrieben und auf der Bank lagen ein paar Tausend Dollar Startkapital. Die Junge Akademie in Berlin gab etwas dazu, der Rest kam über Crowdfunding herein. Mit 35.000 Dollar ist „The Zahir“ ein echter Low-Budget-Film.“
Ihr Kurzfilm und ihr Drehbuch gewannen mehrere Preise, bzw waren Finalisten von prestigeträchtigen Wettbewerben wie „World Series of Screenwriting“, „StoryPros International Screenplay Contest“, „Hollywood Screenplay Contest“ und den „London Film Awards“.
Heute unterrichtet und forscht Olga noch immer fleißig in Berlin, aber wer weiß wohin es diese krasse Oberuschi noch so hin verschlägt. Eines zeigt sie uns auf jeden Fall ganz deutlich: Mit Leidenschaft, Ambition und Lernwillen ist nur der Himmel die Grenze für uns Uschis!