„Annalena, please make the Jacinda!“

 

Redaktion: Marie-Christin Spitznagel

Hallo liebes Uschiversum,

wie sich nun auch schon in den hinterletzten Winkel Deutschlands (und einige Winkel der Welt) herumgesprochen hat, ist Annalena Baerbock die Kanzlerinkandidatin der Grünen. Daran sind zwei Dinge, gänzlich unabhängig von Politik und Programm, bemerkenswert:

1.     Eine Partei, die im September Regierungsverantwortung haben könnte, hat sich intern ohne Streit, man könnte sagen „würdevoll“, auf eine Person geeinigt, die sie in das Rennen um das höchste Amt im Land schicken will.

2.     Ihr Mitbewerber, ein Mann, hat ganz ohne Rumgeprolle, Gestichel und albernes Gegockel festgestellt, wer für die Kandidatur besser geeignet ist und seine Kollegin vorgeschlagen. Danach hat er offen über seine Gefühle gesprochen und darüber, dass er diesen Moment „bittersüß“ fand. Beide sind weiterhin ein Team und arbeiten Seite an Seite.

Ja. Ich weiß! Krass! Hätte mal jemand den beiden alten Männern von der CDU gesagt, die noch vor wenigen Wochen ein enorm unwürdiges Schauspiel geliefert haben, dass so etwas möglich ist, wären ihnen wahrscheinlich die Krawatten verrutscht vor Schock.

Egal, ich möchte mal über Frau Baerbock schreiben und über eine Dame, an die sie mich (und ganz viele andere) erinnert – Jacinda Adern, die Premierministerin von Neuseeland. Oder, um mich da deutlicher auszudrücken, ich projiziere meine Hoffnung, wir könnten auch so eine fabelhafte Regierungschefin haben, auf Annalena und kann nur hoffen, ihr damit nicht Unrecht zu tun. Zu hohe Erwartungen sind gefährlich. Vielleicht. Aber hoffentlich nicht.

Jung, weiblich, fabelhaft

Den Vergleich zwischen beiden Frauen haben schon einige deutsche Journalisten gezogen. Er liegt jetzt auch nicht so enorm fern. Beide sind Jahrgang 1980, Mutter von relativ kleinen Kindern und Jacinda ist ohne Regierungserfahrung dahin gekommen, wo Annalena hin möchte – an die Spitze der Regierung. Jacinda ist übrigens nicht die Einzige, an der Annalena sich orientieren kann. Auch Finnland, Estland, Island und Dänemark werden von jungen Frauen geführt.

Interessanterweise sind die meisten dieser Länder bisher auch enorm gut durch die Coronapandemie gekommen. Aber das erst mal nur am Rande.

Jacinda steht für eine Politik der Werte. Die FAZ schrieb über sie: „Die neuseeländische Premierministerin galt bei ihrer ersten Wahl vielen als Anti-Trump. In ihrer ersten Amtszeit hat sie das bestätigt. Krisen bewältigte sie mit Empathie und Entschlossenheit. [...] jung, weiblich, ehrlich und mit starken Prinzipien und Werten, die sie für die Bewältigung großer Zukunftsthemen wie Klimawandel, Digitalisierung und soziale Ungleichheit prädestinierten.“

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Über Annalena wird aktuell vor allem geschrieben, wie einerseits die Mitgliedsanträge bei den Grünen in die Höhe schossen, nachdem ihre Kandidatur bekannt wurde und andererseits, wie hasserfüllt einige Männer auf sie reagieren. Oskar Lafontaine, Friedrich Merz (wen überrascht das?), einige AfD-Menschen, die ich nicht namentlich nennen mag. Sie malen Horrorszenarien über eine mögliche Kanzlerin Baerbock. Die müssen ganz schön Muffensausen haben, denn auch sie haben gesehen, wie junge Frauen in anderen Ländern die Regierungsverantwortung übernahmen und das seither bravourös meistern. Ein bisschen freut mich das.

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Das Beeindruckende an Jacinda ist für mich eindeutig ihr Umgang mit schweren Situationen und Katastrophen. In ihrer ersten Amtszeit erschütterte das Attentat auf zwei Moscheen in Christchurch mit 51 Toten das Land. Neuseeland wirkte lange so sicher und weit weg von den Übeln der Welt. Jacinda ließ die „Harte-Hund-Rethorik“, auf die ihre männlichen Kollegen gerne zurückgreifen, aber sein und zeigte vor allem  Mitgefühl mit den Opfern und Hinterbliebenen. Dem rechtsextremen Attentäter verweigerte sie das Rampenlicht, in dem sie kein einziges Mal seinen Namen aussprach. In der Coronakrise schaffte sie es gleich zwei Mal, den Inzidenzwert auf null zu drücken, indem sie einen konsequenten Lockdown verhängte, einen der schärfsten weltweit. Aber sie verhängte nicht nur einfach einen Lockdown, sondern führte das Land smart durch die harte Zeit. Fast jeden Tag gab es von ihr empathische und motivierende Ansprachen im Fernsehen (wo war eigentlich Frau Merkel die ganzen letzten Monate?), die Medien boten Programme für Schulkinder und Sport-Übungen, alle zogen an einem Strang, um das Virus zu bekämpfen. Dafür belohnten sie die Neuseeländer mit einer zweiten Amtszeit. Da fallen den Querdenkern vor Schreck die Bretter von den Köpfen.


If you stand for nothing, what will you fall for?

Natürlich ist Annalena nicht Jacinda. (Ich weiß das, wirklich.) Aber in dem aktuellen Hype einiger Medien lässt sich schon ablesen, dass nicht nur ich hoffe, Deutschland könnte sich in die Reihe der Länder mit guten, jungen, innovativen (weiblichen) Regierenden eingliedern. Wäre doch schon ganz geil. Wir müssen uns zwar nicht von einem Trump-Type erholen (Danke dafür!), im Gegenteil, unsere Kanzlerin ist, wenn man die richtigen Leute fragt, eine Ausgeburt der Hölle, die durch ihre linke Politik die CDU kaputt gemacht hat und damit alles, was ich mir von einer CDU Politikerin wünschen könnte. Sie steht für Stabilität, Verlässlichkeit, Sicherheit und hat uns mit stoischer Ruhe durch einige schwere Zeiten gebracht.

Die Tatsache, dass sie selbst entscheidet, ihren Posten zu verlassen und Platz zu machen für eine neue Politik, ist für mich beeindruckend stark und sehr passend für Frau Merkel. Hätte sich das jemand bei Schröder oder Kohl vorstellen können? Doch eine Sache ist klar, nach 16 Jahren mit Kanzlerin Merkel und gefühlten 100 Jahren Große Koalition, wünschen sich viele Menschen eine Erneuerung, einen neuen Weg, weg von „weiter so“ hin zu mutigen Ideen, zu Lösungen für unsere Zukunft.

Da ist die Aussicht auf eine junge Frau aus einer jungen Partei als jüngste Kanzlerin natürlich ziemlich sexy. Ob Annalena all das halten kann, was wir uns von ihr versprechen? Keine Ahnung.

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Ich möchte niemanden wählen, nur weil damit gerade ein populäres Schema bedient wird. Ich möchte Inhalte, Prinzipien, Werte, Integrität und ich möchte, dass etwas passiert. Reden kann man viel, aber die wahren Werte eines Menschen zeigen sich erst durchs Tun. Wir hatten das Thema gerade erst, oder? Less quatsching, More maching.

Joe Biden ist so ziemlich das gegenteiligste Gegenteil von Jacinda und Annalena, jedenfalls äußerlich. Aber er hat in seinen ersten 100 Amtstagen ein beeindruckendes Tempo an den Tag gelegt, um den USA wichtige Reformen zu bringen. Er zeigt durchs Tun, was für ein Staatsoberhaupt er ist und auch bei Annalena werden wir es erst sehen, wenn (und falls) es dann so weit ist.

Wofür steht Annalena also? Was können wir uns von ihr versprechen?

Mehr Europa, mehr Umweltschutz, mehr Innovation – das wird uns jedenfalls in Aussicht gestellt. Was davon bleibt, werden wir sehen, oder nicht, je nach Ausgang der Wahlen im September. Aber eine Sache ist mir persönlich sehr klar und vielleicht manch anderem da draußen auch – eine konsequente Erneuerung werden wir mit einem „weiter wie bisher“ nicht bekommen. Und wir brauchen eine Erneuerung. Dringend.

Wenn uns die Coronakrise eine Sache gezeigt hat, dann, dass viele Dinge in unserem Land nicht in dem Zustand sind, in dem wir sie gerne hätten. Die Bürokratie ist so unflexibel, dass sie sich zu einer Karikatur entwickelt hat (Faxmaschinen im Gesundheitsamt). Deutschland erreicht seine Klimaziele nur, wenn eine weltweite Pandemie alles lahmlegt. Die Schulen sind unterfinanziert, viele ländliche Gebiete auf dem Digitalisierungsstand des Frühmittelalters. Deutschland entwickelt sich ökonomisch von einer Industrienation zu einer Informations- und Dienstleistungsnation, aber die Regierung geht nicht mit.

Kann Annalena all diese Probleme beheben? Keine Ahnung, aber ich traue ihr den Mut zur Veränderung eher zu als all den anderen Kandidaten. Ich wünsche mir eine Person mit Integrität, Prinzipien und Energie an der Spitze der Bundesregierung. Jemanden wie Jacinda. Und ich hoffe sehr, dass Annalena das sein kann und wir sie es sein lassen.

 

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„By the way: Auf unserem Uschi-Shirt, welches unsere Redakteurin Marie hier mit Stolz trägt, zelebrieren wir Jacinda. Das Shirt kannst du hier bestellen."

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