Make Menstruation great (again)
Text: GUK-Gründerin Henriette Frädrich
Mitte April hatten wir #pinkygate. Dazu wurde viel gesagt, viel geschrieben, viel geposted, sich viel empört, sich viel aufgeregt und auch sehr viel gelacht. Zusammenfassung des Skandals: Zwei junge Männer haben sich ein zweifelhaftes pinkfarbenes Menstruationsprodukte-Beseitigungs-Tool (andere würden sagen: Gummihandschuh) „ausgedacht“, es bei der „Höhle der Löwen“ vorgestellt und, Frau glaubt es kaum, einen Deal abgesahnt. Ein Investor will einsteigen und die pinken Gummihandschuhe regelmäßig (ha, was für ein Wortspiel!) an die Frau bringen. Warum, wieso, weshalb das alles einen rat- und fassungslos macht, dazu unzählige Posts, Stellungnahmen und Artikel auf unzähligen Social Media Kanälen, in Blogs und Print- und Online-Medien. (Update am 20.04.2021: Die Firma hat alles hingeschmissen. Die Pinky Gloves sind Geschichte.)
Dem allen ist nichts mehr hinzuzufügen. Alles gesagt.
Und doch beschäftigt mich das Thema. Nicht die Gummihandschuhe. Nicht die Empörung. Sondern das, was Frauen im Durchschnitt um die 30 Jahre lang jeden Monat drei bis sieben Tage lang haben: Die Menstruation.
Bei mir ist das ganze immer so nebenher abgelaufen (und schon wieder so ein Wortspiel). Wahnsinnig viele Gedanken habe ich mir nie um das alles gemacht. Ausnahmen: Du willst schwanger werden. Du willst nicht schwanger werden. Du testest diverse Verhütungsmethoden. Du willst Sex haben und oh Mist verdammt, ich hab´ ja meine Tage. Und oh Freude, her mit dem Softtampon, aber hm, kann und will ich das dem Mann zumuten? Und überhaupt, muss ich dem Mann sagen, dass ich meine Tage habe, wenn wir im Bett rumturnen? Ihn also vorwarnen? Und wieso hat noch nie ein Mann jemals nach meinen persönlichen Menstruations-Facts & -Figures gefragt? Und schon mal so einen Softtampon wieder aus den weiblichen Gefilden rausgebastelt? Das ist ein mittlerer Eingriff! Ich revidiere also meine Behauptung, ich hätte mir nie Gedanken darum gemacht. Ganz zu schweigen von diversen Begleiterscheinungen wie Krämpfe, Kopfschmerzen etc.
Bloß kein Gewese bitte …
Ich würde mir gern keine Gedanken um all das machen. Und ich fange an, mich zu fragen, warum eigentlich. Bei mir persönlich ist es so, dass es viel damit zu tun hat, bloß kein Gewese darum machen zu wollen. Ich will die coole Uschi sein. Hab halt mal meine Tage. So what. Ich kann und will trotzdem alles machen. Und mit alles meine ich alles. Und all die Frauen, die mit Wärmflaschen da sitzen, ihren Frauenmantel-Kräutertee schlürfen und „Menstruations-Musik“ hören (also z.B. Indie-Music-Spotify-Listen), die finde ich immer ein bißchen doof. Auch mit Social-Media-Kanälen, Blogs und Seminaren, die sich der Huldigung der weiblichen Menstruation widmen, konnte ich noch nie viel anfangen. (Bitte noch mit dem Shitstorm warten, ich krieg hier hoffentlich gleich noch die Kurve …). Wie gesagt, die „coole Uschi“ will halt kein Gewese drum machen.
Und nun kann man mal genauer hinschauen. Was heißt denn „kein Gewese“? Heißt es Verdrängen? Kleinreden? Ignorieren? Cool-tun?
Meine eigentliche Intention hinter „kein Gewese“ ist, dass in der Tat kein Gewese drum gemacht werden sollte, weil die Menstruation eben einfach ein völlig normaler biologischer Vorgang ist, der bei (fast) allen Frauen (und allen weiblichen Säugetieren) im Zeitraum zwischen Pubertät bis Wechseljahre eben jeden Monat einmal passiert. Nicht mehr. Und nicht weniger. So what?
Genau. Denn da haben wir es. Wir sind von diesem selbstverständlichen „So what?!“ so weit entfernt wie davon, dass der Vatikan von einem schwulen Papst regiert wird. Ein völlig normaler biologischer Vorgang wird seit Jahrhunderten tabuisiert und stigmatisiert. Es ist noch nicht allzu lange her, da wurden menstruierende Frauen als „unrein“ und gefährlich aus der Gesellschaft verbannt. Und noch heute ist dies in einigen Ländern so. Als hätten sie die Pest. Wie bizarr das doch ist. Gehört die Menstruation ja nun mal zum Fortpflanzungsprozess dazu.
Ein lautes „KRASS!“ …
Ich blicke mit Anfang 40 auf über 20 Jahre „Menstruations-Karriere“ zurück. Nicht mehr soooo lange, und ich gehe in Menstruationsrente. Als ich vor zwei Jahren mal so eine Menstruationstasse zeitweise getestet hatte (die Dinger invasieren seit zwei Jahren die Periodenprodukte-Regale), weiß ich noch, wie ich da überm Klo hing, mir das Ding umständlich reinbastelte und beim späteren Herausklabüstern ein lautes „KRASS!“ entfuhr. Der kleine Plastiknapf war randvoll. Alles dunkelrot. Alles warm. Schön und unschön gleichzeitig. Ich schüttete den Inhalt weg. Und war völlig perplex, was das für eine Menge an Blut eigentlich war. Mir war das nicht bewusst. Ich hatte es in der Tat vorher noch nie gesehen. Natürlich habe ich zig vollgesogene Tampons begutachtet, die ich in Toilettenpapier gewickelt – by the way ohne #pinkygloves – schnell entsorgt habe. Und ein bißchen das Klo vollgetropft. Und diverse Spuren in Schlüppern, wenn mal was undicht war. (Ja, es ist komisch, darüber zu schreiben. Und gleichzeitig denke ich mir, na und, 50% der Menschheit kennen das. Warum also schämen?) Aber ich hatte keinerlei Vorstellung davon, wieviel Blut samt kleinerer und größerer Eizellen- Reststückchen am Ende wirklich bei jeder Menstruation den eigenen Körper so verläßt. Klar, man liest mal hier und da irgendwelche Löffel- oder Milliliter-Angaben. Aber wieviel es eben WIRKLICH ist, sieht man erst, wenn man es halt sieht.
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Ich war auch perplex und irgendwie richtig erschrocken über die Tatsache, dass ich, mit Ende dreißig, fast vierzig, zum ersten Mal das wahre Ausmaß meiner Periode so betrachtet und wahrgenommen habe. Nach über 20 Jahren monatlichen Rumblutens. Man stopfte sich halt mit dem Tampon zu, der saugt alles fachgerecht auf, man entstöpselt sich wieder und ab in den Müll. Ich war auch darüber erschrocken, wie komisch ich mir vorkam, mit einer randvollen Menstruationstasse rumzuhantieren, mir all das so genau anzuschauen und mir meine Gedanken dazu zu machen. Denn ja, es kam mir „verboten“ und seltsam vor. Eklig ist das falsche Wort, aber ja, ich war auch irgendwie fasziniert und abgestoßen gleichzeitig. Und von diesem Gefühlscocktail auch wiederum völlig irritiert. Denn ja mei, kommt alles aus meinem Körper. Is normal. Nix, was halt „böse“ oder pfuibäh verwerflich wäre. Eigentlich.
War es eine life-changing Experience, to watch the period-blood so in real life voll echt? Nein. Natürlich nicht. Das Leben geht völlig normal weiter. Dennoch ist es komisch, dass die meisten von uns einen monatlichen Vorgang so im Verborgenen halten. Nein, ich will nicht dazu aufrufen, Tampon-Girlanden (benutzt) im Bad aufzuhängen und Perioden-Polonäsen zu tanzen. Ich denke nur darüber nach. Am Ende ist es ein Ausscheidungsprozess. Und nun ja, andere Ausscheidungsprozesse dürfen ja auch im stillen Kämmerlein statt finden, und das ist auch gut so.
Eine nicht-repräsentative Umfrage im Freundinnenkreis ergibt: Keiner der Partner der Frauen hat jemals einen benutzten Tampon oder eine benutzte Binde „in echt“ gesehen. Keiner wurde je damit „konfrontiert“. Verdutzte Erkenntnis der Männer: „Krass, ich hab´ das echt noch nie gesehen.“ Da leben sie jahrelang mit ihrer Partnerin zusammenn und haben keine Vorstellung davon, was da monatlich so abgeht. Kann man das den Männern verübeln, wenn noch nicht mal wir Frauen selbst das eigentlich wissen – siehe mein weiter oben beschrieben persönliches Menstruationstassen-Erweckungs-Erlebnis? Und müssen die Männer das wirklich wissen? Oder sollten sie es wissen und einfach mal gesehen haben? Ich weiß es nicht.
Kann ich das mal sehen … ?
Es ist schon eine Weile her, da fragte mir mein Sohn, damals 7 Jahre, zu genau dieser Thematik Löcher in den Bauch. Er sieht die Tamponpackungen im Bad. Er sieht blaue Bändchen rumbaumeln, wenn ich aus der Dusche komme. Er fragt völlig unbefangen und ungeniert, was das ist. Ich erkläre ihm die Sache mit dem monatlichen Zyklus der Frau und auch, was das mit dem Baby-Machen auf sich hat. Sachlich, offen, ungeniert. Er hört aufmerksam zu. Unbefangen, ungeniert. Ich erkläre ihm einen völlig normalen biologischen Prozess. Ich bin beeindruckt, wie interessiert und neugierig er seine Fragen dazu stellt: Wieviel Blut ist das? Tut das weh? Und ich stelle fest: Er ist der erste „Mann“, der mir je solche Fragen gestellt hat. Dann fragt er mich: „Kann ich das mal sehen?“ Völlig unbefangen, völlig ungeniert. Und ich merke: Ups. Ach du grüne Neune. Panik. Bisher war ich total cool. Unbefangen, offen, ungeniert. Hab auf jede seiner Fragen eine Antwort. Nur auf diese nicht. Und ich fange auf einmal an, rumzudrucksen und rumzueiern. Denn jede Antwort fühlt sich falsch für mich an. Ein „ja“ empfinde ich als komplett weird, aus so vielen Gründen. Ein „nein“ ist aber auch doof. Denn wäre das nicht der erste Schritt zu einem gelassenen Umgang damit, und auch dahin, dass Männer eben nicht nur in Theorie, sondern auch in der Praxis darüber Bescheid wissen. Ich meine, da ist endlich mal ein junger „Mann“ neugierig und interessiert. Aber ein „nein“ wäre der erste Baustein, der das Bild aufbaut, all das sei etwas, dass man sich besser nicht anschauen darf. Meine Antwort: „Puh, da muss ich erst mal drüber nachdenken.“ Bis heute hat er nicht noch mal danach gefragt. Und ich hätte auch bis heute keine Antwort.
Wenn Männer ihre Tage hätten …
Wenn Männer ihre Tage hätten, würden sie – natürlich – völlig anders damit umgehen. Sie würden mit Stolz matratzengroße Binden zwischen den Beinen tragen. Und einen Patronengurt mit Tampons. Sie würden es nicht peinlich verbergen. Im Gegenteil. Sie würden es zelebrieren. Und wir alle müßten ihnen huldigen. Ganz nach dem Motto „Make Menstruation great again!“ Wir sollten das einfach auch mal probieren.