Meinung, Meinungsfreiheit - oder einfach mal die Klappe halten

 

Redaktion: Marie-Christin Spitznagel


Meinungen – alles kann, nichts muss

Liebe Uschis, heute habe ich ein spannendes neues Thema für euch: Meinungen.

Denn zu Meinungen gibt es ja aktuell viele ... Meinungen. Vor allem auch zu dem Recht, selbige loszuwerden. Da sind namhafte Menschen unterwegs, die  wochenlang in jeder Talkshow sagen, dass man nichts mehr sagen darf, und dann findet man bestimmt einen Tweet von jemanden mit 50 Followern, der dazu aufruft, diesen Menschen nicht mehr zuzuhören, und das ist dann Zensur. So, oder so ähnlich läuft die moderne deutsche Shitstormdynamik.

Lisa Eckhardt ist in zig Talkshows eingeladen worden, nachdem einige Künstler nicht mit ihr zusammen auftreten wollten. Jan Josef Liefers diskutiert in DIE ZEIT mit Jens Spahn und beschwert sich ebenso in Talk Shows darüber, dass er nichts sagen darf in der bösen Meinungsdiktatur, während er einen hoch dotierten Vertrag über neue Tatortfolgen (im STAATSFERNSEHEN) abschließt. So möchte ich auch gerne gecancelt werden.

Aber ist es denn jetzt tatsächlich Quatsch mit der eingeschränkten Meinungsfreiheit?

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Das Recht, eine Meinung zu sagen vs. das Recht, eine Meinung doof zu finden

Zunächst möchte ich mal ins Grundgesetz gucken. Denn Meinungsfreiheit ist ja das Buzzwort des letzten Jahres. Also, im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland unter Artikel 5 steht:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Das steht da also drin. Und dann:

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Aber trotz dieser klaren Regeln gibt es einige laute Stimmen im Land, die diese Freiheit gefährdet sehen. Dabei wird häufig nicht unterschieden, wer die Meinung denn „einschränkt“ und warum. Das liegt wahrscheinlich an zwei Dingen:

1. Menschen verstehen nicht, dass sie zwar das Recht haben, ihre Meinung zu sagen, aber nicht das Recht, dass diese nie kritisiert wird.

2. Menschen haben das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf ihre eigenen Fakten.

Gleichzeitig können private Firmen wie Facebook, Google und Twitter sehr wohl zensieren, wenn etwas gegen ihre „Gemeinschaftsstandards“ verstößt. Versucht doch mal auf Instagram ein Foto mit weiblichen Brustwarzen hochzuladen. Das ist aber problematisch, wenn ein großer Teil der Bevölkerung seine Nachrichten von Facebook und Co. bekommt.

Meinungen vs. Gefühle

Als links-liberale Frau ist mir die Freiheit des Individuums aber auch der Schutz der Schwächsten innerhalb der Gemeinschaft enorm wichtig. Das bedeutet, ich möchte, dass jede*r seine/ihre Meinung frei sagen kann, solange niemand darunter leidet oder beleidigt wird.

Oder auch „Die Freiheit, meine Faust zu schwingen, endet da, wo die Nase eines anderen beginnt“, ein Zitat, das gemeinhin Oliver Wendell Holmes zugeschrieben wird und das ich wunderbar finde.


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Realitätsnahes Beispiel: Das Recht „N*gerkuss“ oder „Z*geunersauce“ zu sagen, endet da, wo Menschen, die mit diesen Begriffen diskriminiert werden und wurden, sich in der Mehrheit beleidigt fühlen. Aber offensichtlich sind viele laute Menschen aktuell der festen Überzeugung, dass fremde Nasen sie in ihrem Faustschwingrecht einschränken und dies führt offensichtlich zu Wut und Aggression, die sich in Kommentarspalten, Hassnachrichten, Morddrohungen oder schlimmstenfalls sogar körperlicher Gewalt entlädt.

Hier kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt: Gewaltandrohungen und Beleidigungen sind keine Meinungsäußerung. Traurig, dass sowas überhaupt mal aufgeschrieben werden muss.

Muss man eine Meinung haben, nur weil man darf?

Also, wir alle dürfen unsere Meinung sagen, sollten aber mit Widerspruch umgehen lernen. Niemand hat das Recht, seine gesagte Meinung unkritisiert zu sehen. Allerdings frage ich mich jetzt: Müssen wir denn alle dauernd und zu allem unsere Meinung sagen? Ist es notwendig, unsere Ansichten unter Nachrichtenposts auf Facebook zu schreiben? (Falls überhaupt noch geschrieben wird, und nicht nur zwanzig Lachtränenemojis gepostet werden.)

Für wen machen wir das? Die Tagesschau-Redaktion wird es nicht sonderlich interessieren, dass wir bei YouTube ein Video von „FlacheErde24“ gesehen haben, welches genau das Gegenteil belegt von dem, was die Systemmedien uns erzählen. Und glauben wir wirklich, dass wir einem Fremden, der sich in der Facebook-Kommentarspalte der Tagesschau auf ein YouTube Video von „FlacheErde24“ beruft, mit einem gewitzten Kommentar davon überzeugen können, im Unrecht zu sein?

Seit im Jahr 2015 die Social-Media-Kommentarspalten (und ganz vorne eben leider die bei Facebook) sich in einen Sumpf aus Hass und Beleidungswettstreiten verwandelt haben, gibt es auch Gegenbewegungen wie Ich bin hier, die versuchen, mit positiver Gegenrede die Kommentarspalten wieder zu normalisieren. Das hat leider bisher nicht geklappt.

Versteht mich nicht falsch, ich finde einen konstruktiven und respektvollen Meinungsaustausch wichtig und spannend. Aber das geht nur, wenn man eine gemeinsame Basis hat, die gleichen Fakten anerkennt und tatsächlich am Austausch und nicht nur am Überzeugen interessiert ist. Es ist in der aktuellen Situation (für mich jedenfalls) unheimlich schwer, auf gewissen Plattformen unterwegs zu sein, ohne mich in ein virtuelles Screaming-Match mit wildfremden Personen ziehen zu lassen. Aber es bringt einfach nichts. Ich werde niemanden davon überzeugen, dass er (in meinen Augen) Quatsch redet, und mir macht es nur schlechte Laune. Wie oft ist die Unterhaltung denn nur noch:

„Du bist doof.“

„Nein du bist doof.“

Eigentlich wissen wir doch alle seit dem Kindergarten, dass man sich so nicht miteinander unterhält.

Wir müssen nicht den Anspruch haben, jeden zu überzeugen. Nicht jeder, der anderer Meinung ist, ist ein Idiot, der nur „die Augen aufmachen“ muss. Unterschiedliche Meinungen sind in einer Demokratie gut und wichtig. Solange sie sich auf einer gemeinsamen Basis (also mindestens unserem Grundgesetz) bewegen. Ich persönlich halte es nach Kants kategorischem Imperativ (oder ich versuche es zumindest): „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Meine Maxime ist es also, mich weniger über andere Menschen aufzuregen und Menschen, die sich über mich aufregen auf eine Art und Weise, die nichts mehr mit gesittetem Diskurs zu tun hat, zu ignorieren. Das geht nämlich auch. Ich kann inzwischen sogar schon Leute blockieren, die mich persönlich anschreiben und pöbeln. Das ist nämlich auch so schön: Ich darf meine Meinung sagen, mir darf dann widersprochen werden und ich kann diesen Widerspruch annehmen oder ignorieren. Das ist auch okay.

Und wenn wir alle das so machen, wird vielleicht auch der Ton on- und offline wieder netter. Auf jeden Fall macht es uns selbst zufriedener und ausgeglichener.

An dieser Stelle möchte ich noch das Video von Mailab empfehlen zu diesem Thema:

 

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