Vom Model zur Unternehmerin und Botschafterin: Sara Nuru
Redaktion: Marie-Christin Spitznagel
So, meine lieben Uschis da draußen, heute darf ich über eine geile Uschi reden, die die meisten sicherlich aus dem Fernsehen kennen (was ja nun inzwischen nicht mehr unbedingt etwas Gutes ist). Sara Nuru – die Gewinnerin der vierten Staffel »Germanys next Topmodel«. Nein, keine Sorge, ich schreibe jetzt nicht von roten Teppichen, Sternchentratsch und Privatfernsehformaten in denen sich vergessene Z-Klasse Promis an einen Ruhm klammern, den sie nie hatten.
Nein, in diesem Text geht es um eine junge Frau, die mit ihrem Privileg konfrontiert wird und eine vielversprechende Karriere aufgibt, um ein Social Business zu starten, dass Frauen in einem Entwicklungsland Zukunftschancen gibt. Aber fangen wir ganz von vorne an.
Vom Flüchtlingskind zum »Top-Model« zur Botschafterin
Saras Eltern stammen aus Äthiopien und kamen drei Jahre vor Saras Geburt nach Süddeutschland, in die Nähe des oberbayrischen Erding. Ihre Mutter kommt über die DDR nach Westdeutschland, ihr Vater kommt später nach. Wie genau das von statten ging und was Kaffee damit zutun hat, erzählt Sara in einem Interview mit Giovanni DiLorenzo.
Später zieht die Familie dann nach München, dort wird sie auch für ihre ersten Modeljobs entdeckt, bevor sie mit 19 an der bekannten Casting Show teilnimmt, die sie später gewinnen wird.
Die Heimat ihrer Eltern besucht Sara nur als Touristin. In einem Interview mit dem Zeitmagazin erzählt sie über ihre erste Reise: »Als ich 14 war, bin ich mit meinen Eltern und Geschwistern dorthin gereist. Interessanterweise fühlte ich mich in Äthiopien viel fremder, als ich es erwartet hätte. Ich war anders gekleidet, sprach eine andere Sprache, verstand die kulturellen Codes nicht. Ich wurde auf der Reise zum ersten Mal mit meiner Identität konfrontiert: dass ich eigentlich total deutsch bin. Ich merkte, ah, das sind meine Wurzeln, aber ich habe noch gar keinen Bezug dazu.«
Diesen Bezug wird Sara erst Jahre später finden, als die Hilfsorganisation »Menschen für Menschen« sie fragt, ob sie nicht Botschafterin in Äthiopien werden möchte und sie sich deren Arbeit direkt vor Ort ansehen möchte.
»Ich wurde durch diese Reise rausgerissen aus der mir neuen, aufregenden Welt aus Fernsehauftritten, Shootings und schönen Hotels. Das war überhaupt nicht vergleichbar mit meiner ersten Reise, wo wir uns als Familie wie Touristen Sehenswürdigkeiten angeschaut hatten. Hier ging es um Entwicklungshilfe. Ich saß plötzlich in Lehmhütten bei Familien, die kein fließendes Wasser haben und auf dem Boden schlafen. Ich war mit wirklicher Armut konfrontiert. Das war einschneidend.« (Quelle: ZEIT-Magazin)
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Sara hat diese Eindrücke noch nicht ganz verarbeitet, als sie schon nach New York zur Fashion Week fliegt, ums ich dort Agenturen vorzustellen. Danach bleibt sie weiter im Blitzlichtgewitter und lächelt in Kameras.
Sie entscheidet sich für die Arbeit mit »Menschen für Menschen«, bleibt aber weiter in ihrem Promileben. Sie beschreibt die Zeit so: »Ich habe weiter funktioniert, hatte aber immer das Gefühl: Es ist so belanglos. Was ist eigentlich meine Daseinsberechtigung, was ist mein Beitrag? Und das kippte endgültig 2013, als ich für eine Fernsehsendung den teuersten Eisbecher der Welt probieren sollte. Der kostete 1.000 Euro, war mit Blattgold versehen, und als ich dabei in die Kamera schaute, kam ich mir so blöd vor.«
Sara als Unternehmerin im Social Business
Nach diesem Erlebnis nimmt Sara sich eine Auszeit, die dazu führt, dass sie mit alten Strukturen bricht. Sie trennt sich von ihrer Agentur, ihrem Partner und ihren Verträgen. Es ist Zeit etwas zu tun, dass für sie Sinn macht.
»In der Auszeit schenkte mir ein Freund ein Buch: Start Something That Matters. Da geht es um Social Business, darum, wie man durch wirtschaftliches Handeln Gutes tun kann. Ich habe mich immer mehr mit dem Thema auseinandergesetzt, zusammen mit meiner Schwester. Nach vielen Überlegungen haben wir uns entschieden, Kaffee zu importieren. Wir hatten überhaupt kein Vorwissen, wie Importe oder Kaffeehandel funktionieren, und wir mussten drei- oder viermal in die Kaffeeregion reisen, bis wir alles einigermaßen verstanden hatten. Wir wollten unseren Kaffee von Bauernkooperativen beziehen, und wir wollten, dass alle entlang der Lieferkette gut bezahlt werden und davon profitieren, wir auch, das ist ja das Prinzip des Social Business. Es war nicht einfach. Von der Idee bis zur ersten Packung hat es drei Jahre gedauert.«
Inzwischen hat Sara sich mit ihrer Schwester ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut. Sie importiert den Kaffee aus Äthiopien nicht nur, sie unterstützt Bauernkooperativen und verschiedene Projekte, die speziell Frauen unterstützen sollen. Mit dem Verein »nuruWomen« werden Frauen durch Schulungen, Trainingskurse und Mikrokredite dabei unterstützt, sich eine selbstbestimmte unabhängige Existenz aufzubauen. Ein unglaublich gutes Projekt, das auch noch mit Kaffee zu tun hat – der übrigens das beliebteste Heißgetränk der Deutschen ist, jeder von uns trinkt davon im Jahr über 160 Liter. Eine sehr kluge Unternehmensgründung also.
Sara hat sich also erfolgreich aus dem Schatten der Castingshow herausgekämpft, etwas, das nicht jedem gelingt. Sie hat ein erfolgreiches Unternehmen gegründet, das auch nicht ohne Widerstände funktionierte. »Mich hat es häufig sehr wütend gemacht, dass uns die Welt erklärt wurde. Ich nehme gern Ratschläge entgegen, aber nicht ungefragt. Ich habe andauernd erlebt, dass Leute, die nicht einmal wissen, wie eine Kaffeepflanze ausschaut, uns erklärt haben, wie unser Business funktioniert. Das waren spezifisch Männer.« Erzählt sie in einem Interview mit der taz.
Aber sie hat auch diese Hindernisse überwunden und stärkt nun auch die Positionen anderer Frauen weltweit – das macht sie zu einer richtig geilen Uschi!