Ich bin Superwoman. Aber Endometriose ist mein Kryptonit.

 

Redaktion: Superwoman (die Autorin möchte nicht namentlich genannt werden)

ICH BIN SUPERWOMAN. Jedenfalls hat sich das die meiste Zeit meines Lebens so angefühlt. Meine Superkräfte waren immer Sportlichkeit, Wahnwitz, Willenskraft, Unabhängigkeit, Humor & Durchsetzungsvermögen. Damit konnte ich die schottrigen & steinigen Alltagsberge versetzen, die sich einem im Laufe der Jahre hier und da in den Weg stellten. Ich bin mit meinem Kopf wie ein Rammbock durch viele scheinbar erst undurchdringliche Job-Mauern der Selbstständigkeit gerannt und habe sie im Staub hinter mir gelassen. Ein „unmöglich“ oder „nicht machbar“ zu akzeptieren kann ich an einer Hand abzählen- es ist quasi für meine innere Einstellung nicht existent. Mit all diesen Superkräften bin ich bisher durch mein Leben gerauscht und habe sie maximal genutzt, jedenfalls bei Allem, was für mich sinnvoll erschien.

Das Alles soll kein Eigenlob-Monolog werden. Es soll euch nur das Gefühl vermitteln, was ich all die Jahre für mich selbst hatte. Selbstvertrauen trotz manchem Scheitern. Endlose Energie bei richtiger Balance. Große Abenteuerlust trotz unsicherer Zeiten. Risikobereitschaft für Ungewissheit & eben das blinde Vertrauen in meine Superkräfte. Meinen Körper als Frau, mit dem ich Alles in Allem im Reinen war.

Es gab nur schon immer eine „kleine“ Sache: Einmal im Monat war ich für zwei Tage raus. Aus dem Alltag. Aus dem Job. Superpower lahm gelegt. Keine Kräfte mehr. Energielevel 0.0. Meine Periode. Mein Kryptonit.

Schon als ich 14 war hieß das im ersten Jahr meiner Menstruation, dass ich in der Schule zusammenbrach. Kalten Schweiß auf der Stirn hatte, mich übergeben musste vor Schmerzen. Oft fand ich mich auf der Pritsche des Hausmeisterraums wieder, weil keiner wusste wie mir zu helfen war, bis meine Mutter mich dann von der Schule abholte. Arztbesuche. Untersuchungen ohne wirkliche Ergebnisse. Kreislauftropfen sollten Abhilfe schaffen, denn das Mädchen war sehr schmächtig und vertrug die Periode einfach nicht so gut. Da das alles nicht half, wurde mir die Pille verschrieben. Die machte es zwar nicht viel besser, aber kontrollierbarer. Buscopan & Ibuprofen wurden in den nächsten 17 Jahren meine monatlichen Begleiter. Als erwachsene Frau ertrug ich diesen Krampf-LKW einfach, der alle paar Wochen ohne Bremse über mich drüber rollte. Ab und an fand ich mich auf den Badezimmerboden mit Kaltschweiß und solchen Bauchkrämpfen wieder, dass es schwer war dazwischen zu atmen. Es gab auch gute Monate... in denen die Pillen wenigstens so wirkten, dass der dumpfe Schmerz zu ertragen war und ich mich zur Arbeit schleppte. Schwamm drüber! Haben ja alle Frauen. Nicht so anstellen! Und das tat ich nicht. Über 15 Jahre lang.

Dann hörte ich irgendwann mal von diesem Begriff: Endometriose. Mehr als jede zehnte Frau ist offiziell betroffen. Dunkelziffer natürlich nicht einbezogen. Endometriose sind vom Körper selbst hervorgerufene ausgelagerte Verwachsungen der Gebärmutterschleimhaut die oft Gewebeblutungen, Narbenbildungen & starke Schmerzen verursachen können.

Für mich quasi die neue Bezeichnung für mein Kryptonit. Laut Definition „verhindert Kryptonit nicht nur die weitere Absorption von Sonnenenergie, sondern verdrängt diese Sonnenenergie schmerzhaft durch Kryptonitstrahlung, wodurch die übermenschlichen Fähigkeiten eines Kryptoniers innerhalb von Sekunden sofort verloren gehen, und kann je nach Reinheit und Expositionsdauer zu einer Form der Strahlenvergiftung eines Kryptoniers führen.“

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Wissenschaftler tappen bei der Ursachensuche sowie optimalen Behandlungsmöglichkeiten wahrlich noch im Dunkeln. Obwohl es so viele Frauen betrifft und mittlerweile schon fast als weibliche Volkskrankheit durchgehen könnte, wie ich heraus fand. Endometriose ist nicht wirklich heilbar, sondern nur beschränkt behandelbar, da diese Verwachsungen immer wieder kommen können. Es sei denn, frau bekommt durchgehend Nachwuchs oder nimmt durchgehend die Pille damit der Prozess des normalen Zyklus durchbrochen wird und sich somit weder gesundes noch Endometriose -Gewebe bilden kann.

Zurück zu meiner Geschichte. Ich sprach mit meiner Frauenärztin über diesen Begriff und wie genau man denn rausfinden könnte, ob man betroffen ist. Eigentlich hatte ich sehr lange mit niemandem mehr über meine Symptome gesprochen, sondern ja, mich damit abgefunden mich einfach zwei Tage zu vergraben. Ich hatte meine Ärztin gewechselt, da mir ihre Vorgängerin nur die x-te Pille als Option verschreiben wollte, ich aber schon vor Jahren wegen etlicher Nebenwirkungen pillenfrei war und jetzt bestimmt nicht wieder damit anfangen würde. Meine Neue gab mir den Kontakt eines Spezialisten. Nach einem sehr aufschlussreichen Beratungsgespräch, in dem ich mich zum ersten Mal verstanden gefühlt habe und nicht in die scheinbar unwissenden Augen eines Arztes ohne Lösung gucken musste war klar: Verdacht auf Endometriose. Einzige Lösung: Bauchspiegelung. OP. Denn ohne lassen sich diese Verwachsungen leider nicht sehen- auch nicht mit einem Ultraschallgerät. Und zudem, falls wirklich etwas da ist, würde man es so gut es eben ging entfernen oder veröden müssen. Mulmiges Gefühl mit solch einem Termin im Kalender. Dennoch, ich wollte endlich Gewissheit!

Ich erspare euch jetzt die Prozedur an sich. Man bekommt nicht wirklich viel mit, da die Vollnarkose ihr übriges tut. Nach der Operation ging es mir nach einer Woche wieder ganz gut, ich hatte drei kleine Schnittnarben mehr, die allerdings sorgfältig und verdammt gut gemacht waren, wofür ich dem Operateur sehr dankbar bin.

OP-Bericht & Symptomatik: Endometriose zweiten Grades. Die meisten Verwachsungen konnten entfernt oder wenigstens verödet werden. Aktivitätsgrad bei ca.25%. Bedeutet, sie ist aktiv und kann wieder kommen.

RUMMS! Da waren die Zeilen die mich gleichzeitig zum Weinen brachten und mir dennoch Erleichterung verschafften. Die Herde meines Kryptonits waren freigelegt. Bewiesen. Ebenso hätte ich so gerne dieses Papier auf mein Kampfschwert gedruckt, wäre gern zu all den Ärzten die mir Pillen, Kreislauftropfen und Ungläubigkeit entgegengebrachten geflogen und hätte ihnen das Ding wie Zorro einmal über die Stirn gezogen!

Aber es waren nicht nur viele Ärzte von denen ich vielleicht zuviel erwartet habe... schließlich war der letzte ja quasi mein Kreuzritter, für den es sofort klar war. Vielmehr war es auch die Gesellschaft, die mich zum Schweigen brachte und die Ungläubigkeit anderer, die einem selbst immer wieder eingetrichtert hat „Stell dich nicht so an“ anstatt eine Frau ernst zu nehmen und sie zu motivieren sich weiter auf die Suche nach der Ursache zu begeben. Ich hätte es dennoch wissen müssen. Das DAS so nicht normal war. Ich habe in meinem Leben viele extremen Sportarten betrieben, bei denen ich mich schon oft so gemault habe. Diese Schmerzen habe ich gerne ertragen, denn ich wusste wo sie herkamen und im Endeffekt war ich ja meist, aufgrund meiner Rikisobereitschaft, selbst Schuld. Ich hätte es wissen müssen. Denn meine Schmerzschwelle würde ich, wegen all solchen sportlichen Erfahrungen relativ hoch einschätzen. Sie hat mich zumindest nie davon abgehalten etwas Riskantes wieder zu tun.

Aber diese Diagnose, die jetzt vor mir lag, musste erstmal sacken. Plötzlich fühlte ich mich so ganz und gar nichtmehr unbesiegbar. Verletzlich. Ungesund. Ich hatte mich doch eigentlich immer wirklich gut um meinen Körper, meine Gesundheit gekümmert. Jetzt DAS. Etwas, das ich selbst mit all meinen Kräften & Talenten nicht besiegen konnte. Worauf ich keinen großen Einfluss nehmen kann. Ich glaube das zu akzeptieren fällt mir nach wie vor am Schwersten.

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Diese Zeilen und meine eigene Interpretation als Komikheldin hilft mir das alles anzunehmen und zu verarbeiten. Und ich weiß - aus heutiger Sicht - dass es sehr vielen anderen Frauen so ergangen ist. Das hier soll Mut machen und vielleicht kann es einer anderen helfen, diese Diagnose früher herauszufinden. Oder es bleiben der ein oder anderen somit einige Jahre voller Ungewissheit und Zweifel erspart.

Für all die anderen Superwomen da draußen: Das ist wohl unser Kryptonit. Ich meine, irgendwas musste die Natur ja einbauen, das uns schwächt. Wie zur Hölle sollte man uns denn sonst aufhalten können? Zumindest kurzfristig. Aber nun kenn ich meine Schwäche und meinen eigenen Gegner... und irgendwie verliert er dadurch etwas an Kraft und gibt mir auf eine seltsame Weise wenigstens etwas an Energie zurück, die ich an diesen ganzen schmerzvollen Tagen verloren habe.

Eure Superwoman


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